Versorgungsplanung
Im Rahmen des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG 2010) findet der Ansatz der „Integrativen regionalen Versorgungsplanung“ (IRVP) besondere Erwähnung. Dabei wird den Interdependenzen und Reziprozitäten aller Beteiligten im Gesundheits- und Sozialbereich hohe Priorität hinsichtlich Qualitätsverbesserung bzw. Qualitätssicherung zugesprochen.19 Die im 2. Teil dieser Blogserie in Abb. 1 skizzierten „Sphären und Teilbereiche der IRVP“ berücksichtigen alle relevanten Bereiche im Gesundheits- und Sozialwesen (stationärer und ambulanter Bereich, Rehabilitationsbereich und den Pflege- und Sozialbereich). Eine „medizinisch und ökonomisch sinnvolle Behandlungskette“ für PatientInnen soll insbesondere durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgen.20 Zusätzlich ist eine „Minimierung der Krankenhaushäufigkeit und der durchschnittlichen Belagsdauer auf das medizinisch notwendige Maß„21 vorgesehen, was in Anbetracht einer aktuellen Statistik der WHO (siehe Abb.2) ratsam erscheint.
Abb. 2 Krankenhaushäufigkeit Akutkrankenanstalten im EU-Vergleich22
Auf ca. 445.000 Pflegefälle in Österreich kommen rund 29.000 aus Tirol, von denen wiederum ungefähr dreiviertel (etwa 22.500) zu Hause betreut und gepflegt werden.23 Die zahlreichen Vernetzungspartner (Krankenanstalten, Altenwohn- und Pflegeheime, Mobile Dienste, Hausärzte und Apotheken, Therapeuten, das familiäre Umfeld des Pflegebedürftigen, etc) führen den enormen Kommunikations- und Harmonisierungsaufwand vor Augen und machen Case-Management (auch „Fallmanagement“) zum Wort der Stunde. Der Begriff „Case-Management“ umfasst die individuelle Organisation der Pflege und Betreuung („Einzelfallhilfe“) und hat das neue Berufsbild des „Case-Managers“24 notwendig gemacht.
Abb. 3 Rechtliche Umsetzung der integrierten Versorgungsplanung25
Abb. 3 zeigt die schematische Umsetzung der integrierten Versorgungsplanung im rechtlichen Kontext. Im abschließenden Kapitel werden nachfolgend Problemfälle aus der Praxis näher betrachtet und mögliche Schwierigkeiten aufgezeigt.
Vernetzungsbestrebungen
Hohe Kommunikations- und Abstimmungserfordernisse sind insbesondere bei der Überleitung vom Krankenhaus in den Pflege- und Betreuungsbereich (Entlassungsmanagement) anzutreffen. Antizipatives Planen und Handeln von Seiten des Case-Management-Beauftragten in Form von frühzeitiger Kontaktaufnahme und Abklärung mit dem Krankenhaus einerseits und rechtzeitiger Rückmeldung des Krankenhauses andererseits sind der erste Schritt, dem die Kontaktaufnahme und Rücksprache mit möglichen Angehörigen, mobilen Pflegediensten und/oder Altenwohn- und Pflegeheimen folgt. Wie in im vorangehenden Kapitel („Versorgungsplanung“) erwähnt, wird der große Teil der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt, daher gilt es abzuklären, ob Angehörige eingeschult werden müssen und welche mobilen Dienste zum Einsatz kommen.
Bei der Organisation von Medikamenten wird zukünftig vermehrt „e-Medikation“26 zum Einsatz kommen. Ein abschließender Evaluationsbericht zum ersten Pilotprojekt für e-Medikation attestiert dieser neuen, technologiegestützten Methode ein „positives Gesamtbild“27, verweist jedoch in über 30 „Empfehlungen“ auf notwendige Anpassungen (Commitment zur e-Medikation und ausreichende und transparente Finanzierung sicherstellen, verständliche und nachvollziehbare Beschreibung der e-Medikation für BürgerInnen, klare rechtliche Rahmenbedingungen etc). Durch solides Entlassungsmanagement sollen „Drehtüreneffekte“ vermieden werden.
Die Einbindung von Angehörigen gibt bei der Organisation einer optimalen Pflege und Betreuung die Möglichkeit, ungenützte Ressourcen einzubeziehen. Diese kostenschonende Herangehensweise ist nebenbei ein Weg, dem/der Pflegebedürftigen ein gewohntes Umfeld zu bieten und letztlich auch ein Zeichen familiärer Bande uns sozialer Wärme in einer sich stetig veränderten Gesellschaft.
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19,21,25 Österreichischer Strukturplan Gesundheit 2010, Konzeption ÖSG, http://www.bmg.gv.at, aufgerufen am 01.08.2012
20 In der „Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens“, Artikel 7 „Gesundheitstelematik (e-Health) und elektronische Gesundheitsakte (ELGA)“ Abs. (2), heißt es dazu: „Ausgehend von diesen Zielsetzungen werden die Vertragsparteien alle Anstrengungen unternehmen, die Informations- und Kommunikationstechnologien unter Wahrung der sozialen, technischen, rechtlichen und ethischen Standards im Gesundheitswesen zu nutzen. Im Rahmen ihres Wirkungsbereiches werden sie die Festlegung und Umsetzung von Vorgaben und Vorhaben mit überregionaler, bundesweiter oder europäischer Bedeutung unterstützen, verbindlich erklären und ihre Einhaltung überwachen.“
22 WHO – Regional Office for Europe, European health for All Database, http://www.euro.who.int, Updated January 2012
23 entnommen aus: Vortrag „Integrative Versorgung im Sozial- und Gesundheitswesen, Dr. Wiedemair, MCI, 15.06.2012
24 siehe dazu: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Case_Manager, aufgerufen am 10.08.2012
26 Definition der ARGE-ELGA: „Die e-Medikation unterstützt Teilprozesse der Behandlung von der Verordnung bis zur Ausgabe der Medikamente und steigert somit die Behandlungsqualität für den Patienten und den Gesundheitsdiensteanbieter. Die Vermeidung von medizinisch unerwünschten Arzneimittel-Wechselwirkungen auch unter Einbeziehung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und Heilmittel, die Vermeidung von Mehrfachverschreibungen sowie die Unterstützung bei der korrekten Umsetzung der Medikationstherapie sind die gewünschten Ergebnisse“, http://www.initiative-elga.at, aufgerufen am 01.08.2012
27 Pilotprojekt e-Medikation, Abschlussbericht der Evaluierung, MedUni Wien & UMIT, http://www.initiative-elga.at, erschienen 08.05.2012, abgerufen am 01.08.2012